Schichtwechsel geglückt

Inklusion beginnt mit der Begegnung von Menschen. Wenn sich zwei gegenseitig ihre Arbeit zeigen, vertieft sich das Verständnis.

 

Was haben ein Küster und ein Recyclingarbeiter gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig. In diesem Fall vereinte sie aber das Interesse zu sehen, wie woanders gearbeitet wird. Michael und Maik haben nämlich bei der jährlichen Aktion „Schichtwechsel“ mitgemacht: Vormittags besuchte Maik den Küster in der Bosauer Kirchengemeinde, nachmittags war Michael zu Gast bei der Eutiner Elektro-Altgeräte-Demontage.

 

Nach einem ersten Kennenlernen beginnt der Morgen in der altehrwürdigen Kirche am Großen Plöner See futuristisch anmutend: Mit dem Staubsauger auf dem Rücken sieht Maik aus wie dem Film „Ghostbusters“ entstiegen. Dabei geht es doch nur darum, die Heizungsschächte der Kirche zu reinigen und nicht Geister aufzusaugen. Zahlreiche handwerkliche Arbeiten dieser Art gehören zum Küsterdienst: Arbeiten in der Kirche, im Gemeindehaus oder im Garten. Aber auch das Beauftragen und Begleiten von Handwerkern, Konzert-, Hochzeits- und Festvorbereitungen oder der klassische Küsterdienst am Sonntagmorgen. Immer wieder gibt es aber auch etwas Neues, so wie im Moment die Veränderungen auf dem Weg zum Gütesiegel „Öko-faire Gemeinde“, wo es zum Beispiel darum geht, Fledermaus-Schlafmöglichkeiten, Pfand-Teelichtgläser oder Heizungs-Einsparmöglichkeiten umzusetzen. Eine Frühstückspause wird zusammen mit den fröhlichen Friedhofsmitarbeiterinnen abgehalten, bevor Maik und Michael in den Kirchturm zu den Glocken aufsteigen. Michael will Maik natürlich die Besonderheiten seines Arbeitsplatzes zeigen, wie die vier jahrhundertealten, riesigen Glocken.

 

Zum Mittagessen fahren sie nach Eutin in der Kantine der Eutiner Werkstatt für angepasste Arbeit, wo sich das eine oder andere Schwätzchen über die Aktion oder ihre jeweiligen Jobs vertieft. Danach starten beide den Einstige in Maiks Arbeitsumfeld mit einem Rundgang. Von der Abgabe der Geräte durch Privatleute oder Firmen über die Vorsortierung in an die Arbeitsplätze gefahrenen Gitterboxen versucht Michael die Vorgänge zu durchschauen. Am Platz geht es dann darum, elektrische Geräte in wiederverwertbare Fraktionen zu zerlegen und zu sortieren. „Alles, was eine Schraube dran hat, muss auseinandergenommen werden“, so Maiks Devise. Aber auch zahlreiche unverschraubte, mit Überlappungen oder Verklebungen versehene Kunststoffverbindungen entgehen Maiks geschultem Blick nicht. Nach dem Zerlegen wird sortiert: Batterien, Kabel, Festplatten, Platinen, Schrauben, Blech, Kupfer, Aluminium, Messing, oder untrennbare Metall-Kunststoff-Mischteile werden getrennt abgelegt. Dabei kommt eine Armada verschiedenster Schraubendreher zum Einsatz, vom winzigen Feinmechanik-Torx-Dreher bis zum robusten Sechskant-Imbusschlüssel. – Maik genügt oft ein Blick, das richtige Werkzeug zu greifen.

 

Was für ein Fazit ziehen die beiden am Ende des Arbeitstages? „Es war ein interessanter Tag, und das Auseinandernehmen ist durchaus befriedigend“, sagt Küster Michael. Er würde gerne wieder in Bosau einen Kollegen aus der Eutiner Werkstatt haben, wie bis vor einigen Jahren schonmal. Und Maik könnte sich den Schritt auf einen Arbeitsplatz außerhalb der Werkstatt bei geeigneten Rahmenbedingungen grundsätzlich schon mal wieder vorstellen. Der gelernte „Werker Gartenbau, Fachrichtung Blumen und Zierpflanzen“ fand den Job beim Küster jedenfalls bei weitem nicht so stressig wie die Arbeit früher, als er sich dem Zeitdruck und Stress des Betriebes nicht gewachsen fühlte. „Jeder einzelne Fall, bei dem es uns gelingt, dem Personalmangel des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den von uns begleiteten Menschen abzuhelfen, ist ein Erfolg. Unsere Aufgabe ist es, dass auch die bisherigen Werkstatt-Mitarbeiter*innen darin einen Gewinn sehen“, sagt Katrin Strauer, die Leiterin der Berufsperspektiven bei Die Ostholsteiner.